Fachtagung Kinderschutz im SPFW 21./22. Juni 2006

Referentin: Christine Kernich, STIBB e.V.

Ich beginne mit einem Zitat.

Eine heute erwachsene Frau, die seit ihrem neunten Lebensjahr bis weit in die Volljährigkeit hinein unter Drohung und Gewalt durch einen engen Familienangehörigen, geduldet von der Mutter, sexuell missbraucht wurde, erzählt über ihre Schule :

„Die Zeit in der Schule war das Allerwichtigste. Raus von zuhause, da hab ich mich wohlgefühlt, sicher gefühlt. Ich wusste: ich bin jetzt in der Schule, hier kann mir gar nichts passieren. Da bin ich zu mir selber gekommen, das war das A und O, das Wichtigste! Was habe ich alles angenommen, nur um in der Schule zu bleiben… nicht nach Hause…“

(Ob die Menschen dort etwas von ihrer Situation gemerkt hätten?) Ja, ihre Lehrerin habe oft gefragt nach ihren blauen Flecken. Sie selbst habe natürlich Ausreden gehabt, den Schein gewahrt.

Institutionen und Einrichtungen wie die Schule, der Kindergarten, der Hort oder Kinderclub – das sind die Orte, die mehr oder weniger alle unsere Kinder durchlaufen.

Das sollten neben der Familie die Ausgangs- und Stützpunkte sein, die sozialen Orte der Begegnung und Orientierung, in denen ein Kind zuverlässige Begleitung in ein selbstbestimmtes und gemeinschaftlich reiches und befriedigendes Leben erfährt. Die Fachkräfte dort sollten seine existentiellen Bedürfnisse und seinen Schutz – neben vielfältigen weiteren fachlichen Aufgaben – immer im Blick haben und als handlungsleitend verstehen.

Ob sie diesem Anspruch immer nahe kommen, nämlich in der bewußten Lebensweltgestaltung durch Stärkung und Schutz der Kinder auch Instanzen primärer und sekundärer  Prävention vor Gewalt zu sein und vor allem sich selbst als Wahrnehmungsorgan für den nötigen und manchmal fehlenden Schutz der Kinder zu verstehen und auszubilden, ist eine Frage täglicher konkreter Praxis jeder einzelnen Fachkraft.

Mit ihrem aufmerksamen Blick und ihrer aktiven Haltung hat es mindestens ebenso viel zu tun wie mit ihren in Aus- und Weiterbildung erworbenen Fachkenntnissen.

In keiner der hier genannten Einrichtungen kommen wir daran vorbei, unseren Blick über die Grenzen der engeren berufspraktischen Aufgabenstellungen hinaus zu öffnen. In Schulen, Kitas, Horten und Freizeiteinrichtungen sind die dort Beschäftigten, ob sie es wollen oder nicht, Seismographen und Zeugen von Entwicklungen: wir erleben plötzlich veränderte Kinder, ungewohntes Verhalten, für uns neue und herausfordernde Probleme, die das Gewohnte und Geplante unterbrechen und nicht selten stören. Wie erleben wir das? Weisen wir es zurück? Erkennen wir darin Signale und Botschaften? Fangen wir etwas damit an?

Kinder wie das neunjährige Mädchen, das damals aufgrund seiner blauen Flecken immer wieder seiner Lehrerin auffiel und trotzdem ungeschützt blieb, sind durch das Netz gefallen und im Bodenlosen ausweglos erlebter Verfügbarkeit  zu dauerhaftem Schaden gekommen.

Vermutlich begegnen wir heute an unseren Arbeitsplätzen häufig Kindern, die ohne unsere Bereitschaft und Fähigkeit, mit einem aufgefangenen Signal etwas anzufangen, ebenfalls nur wenige Chancen auf ein ungeschädigtes Leben haben. Sie bleiben für uns stumm oder stören uns sogar, wenn wir nicht erkennen, dass ihr Verhalten eine  Botschaft enthält.

Warum ist das so schwer? – so schwer für die Kinder, das Signal zu geben. Und für uns so schwer, es zu empfangen und  seine Nachricht zu entschlüsseln?

Missbrauchte Kinder, das zeigte der vorhergehende Vortrag, sprechen zu uns über Symptome, wenn sie es nicht anders können – seien sie noch viel zu klein oder viel zu verwirrt, beschämt, verängstigt, vielleicht auch zu misstrauisch und ohne Hoffnung, um aussprechen zu können, dass sie sexuelle Gewalt erleben.

Manche von ihnen sprechen auch in Worten – aber die Botschaften sind nicht so eindeutig, dass sie uns das Vermutete „beweisbar“ erscheinen lassen. Eine Dreijährige drückt ihr Erleben gegenüber der Erzieherin sprachlich so aus, dass diese vielleicht schockiert darin die Möglichkeit eines Berichts über aktuellen Missbrauch entdeckt – aber die Kolleginnen zweifeln: was bedeutet die Wortwahl eines so jungen Kindes konkret? Und was bedeutet es, wenn das Kind nicht mehr allein zur Toilette gehen will, wenn es weint und klammert?  Eine 6jährige bekommt neuerdings ständig  Weinkrämpfe und sagt, sie wisse selbst nicht, warum.  Mehrere in der Klasse als  „außer Rand und Band“ bezeichnete Erstklässler spielen geheimnisvolle Spiele  – mit Fesseln und Pullerlutschen, erzählen andere Kinder.  Eine 7jährige Schülerin beklagt sich über die abwertende Sexsprache ihres 5jährigen Bruders, selbst der Mutter gegenüber. Nachmittags müsse sie ihn immer begleiten, allein dürfe er nicht zu seinen Freunden am Fluß. (Wie alt die wären? So 17,18…)  Eine 15jährige fällt der Lehrerin durch Ritzen und Alkoholexzesse auf. Ein 13Jähriger „spricht“ vielleicht schon seit geraumer Zeit durch plötzlich ansteigende auffallende Gewaltbereitschaft bis hin zu Delinquenz und durch seine sexualisierte Sprache, aber er verbirgt sich hinter dem provokanten Auftreten seiner Clique mit ihren besonderen Strukturen und Dynamiken und ist nicht selten schon verstrickt in eigene Mittäterschaft. Die Antwort auf seine Sprache traut man eher der Polizei zu.

Diese Botschaften der Signale scheinen uns alle zunächst hilflos zu machen – sie sind so uneindeutig und doch eindeutig, so appellhaft und doch abweisend. Um helfen zu können, wollen wir Vorgaben, die wir oft nicht bekommen.

Noch dazu stehen wir in so schwierigen Fällen auch oft vor verschlos-senen Türen, wenn wir die Familie, die Mutter oder andere erwachsene Angehörige auf ihre Verantwortungsbereitschaft ansprechen und kritisch-dringlich befragen wollen.

Diese Hilflosigkeit auf unserer Seite – ein Spiegel der Hilflosigkeit der Opfer! – ist schwer zu ertragen. Dennoch, ja gerade deshalb ist entscheidend für die Perspektiven der missbrauchten Kinder und geradezu für sie von Signalcharakter, dass wir unser eigenes Empfinden nicht verdrängen und beiseite schieben, sondern gelten lassen, zur Wirkung kommen lassen, beginnen, in angemessenem Rahmen darüber zu sprechen: mit dem Kind, um ihm ohne weitere Bedingungen der Offenbarung Kontakt, Nähe und Bindung anzubieten; unter Kolleginnen, um die Vereinzelung in unserer Wahrnehmung zu überwinden, uns auszutauschen und unser Vorgehen zu besprechen.

Und wir können auch – einzeln oder als Institution – fachliche Beratung für uns selbst in Anspruch nehmen, um auf persönlicher wie institutioneller Ebene Unterstützung im Sortieren und Verwerten von Wahrnehmungen, Zweifeln, Ideen, Unsicherheiten bezüglich der Missbrauchsvermutung und des weiteren Vorgehens zu bekommen.

Fachlich gesehen ist nämlich längst der Fall eingetreten, für den auch gesetzlich nach dem KJHG besondere Hilfsangebote vorgesehen sind: ein Kind zeigt über seine Signale und Symptome deutliche Anzeichen einer Krise, in die es geraten ist, einer Überforderung durch etwas in seinem Leben, das es allein nicht bewältigen kann, einer Gefährdung seines Wohlergehens. Auch wenn man die Ursache seines Verhaltens nicht kennt, so ist es doch möglich und sogar geboten, zum Ziele des umgehenden Bereitstellens von gesetzlich vorgesehener passender Hilfe für Kind und Familie aktiv zu werden und sich als Fachkraft auch selbst fachlich beraten zu lassen.   

Entscheidend für den Erfolg des weiteren Vorgehens ist zunächst die Haltung und das aktive Bemühen darum, das Kind mit seinen aktuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt zu halten. Auch WAS wir konkret unter Erfolg verstehen, muss aus der Perspektive des Kindes bedacht werden: dass es sein Erleben auszudrücken beginnen kann, aber auch, dass es entscheiden kann, wann und wem es sich anvertraut. Dass es respektable Motive hat für sein Schweigen, auch wenn wir sie nicht verstehen – und dass es gerade da nach guten Gründen zu forschen gilt, wo das Abwehrverhalten aggressiv und regelverletzend auftritt bis hin zur Selbst- und Fremdschädigung. Eine solche Haltung bedeutet nicht, destruktives Verhalten zu akzeptieren – wohl aber, auch diesem Symptom seine Botschaft zu entnehmen und sie in dem Prozeß der Arbeit mit dem auffällig gewordenen Kind von Wert sein zu lassen. Wir wissen: dies Kind kann im selben Maße lernen, auf Grenzverletzungen zu verzichten, wie in verläßlichem Bindungsaufbau die Gefahr, selbst verletzt zu werden, zum Thema werden kann und schließlich auch ein aktiver Selbstschutz auf dem Hintergrund sicherer werdender Beziehungen erlernt werden kann.

Dazu braucht das Kind in der Regel besondere Ansprache, Förderung und intensiven Kontakt.

Das Kind, gerade das noch nicht über seine Konflikte sprechende, und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt zu halten – das bedeutet auch das fachliche Abwägen von Schritten wie Strafanzeigen, aber auch das  bedachtsame Umgehen mit Elternkontakt im Falle einer Missbrauchsvermutung innerhalb der Familie. Elterninteressen, insbesondere bei Partnertrennungen, können sehr wohl den Bedürfnissen des Kindes entgegenlaufen. Darum ist es sinnvoll, im Verdachtsfall nicht sofort den Elternpositionen in der fortlaufenden Bearbeitung das Schwergewicht der Beachtung einzuräumen, sondern sich immer wieder daran zu orientieren, gerade bei bestehenden Unklarheiten seinen Platz an der Seite des Kindes zu haben.

Ein solches Ziel zu erreichen im Interesse der jüngeren wie älteren Kinder, von denen wir vermuten oder wissen, dass sie Opfer von Gewalt geworden sind oder gerade werden, braucht in der Regel die Einbeziehung von weiteren Fachkräften der Jugendhilfe mit Beratungsauftrag, die das Kind und seine Familie wie auch sein Umfeld in deren Ressourcen und Gefährdungen wahrnehmen und damit in jeweils angemessenen Kontakt treten.

Eine Schule oder eine Kita kann bspw. behutsam ihre Besorgnis über die wahrgenommenen Verhaltensprobleme des Kindes mit den Eltern ansprechen und ihnen nahelegen, hierzu Beratung in Anspruch zu nehmen, die Eltern und Kind gleichermaßen zustehen und die z.B. in einem gemeinsamen Gespräch mit Eltern, Fachkraft der Einrichtung und Beratungsfachkraft niedrigschwellig initiiert werden kann.

Lassen sich Eltern auf keines der Angebote ein, so ist im Verdachtsfall das Jugendamt zu informieren, das seinerseits aktiv wird und seine Möglichkeiten fallangemessen prüft und einsetzt – wobei nicht die Vermutungen, sondern die konkret gezeigten Schwierigkeiten des Kindes in den Fokus zu stellen sind.

In dieser entstandenen Kooperation der Institution mit der Jugendhilfe ist gleichwohl Ihre Haltung und Ihr Blick, wenn Sie z.B.. als Pädagogin einer Institution mit Kindern arbeiten, wichtig und maßgeblich für den weiteren Verlauf, insbesondere dann, wenn ein Kind Sie ins Vertrauen gezogen hat. Es kann gut sein, dass Sie für das Kind in seiner Wahrnehmung Teil eines guten, intakten, schützenden Systems sind, das ein Gegengewicht zu Schädigungen selbst in der Familie bildet. Insbesondere dann, wenn Sie in Ihrer Arbeit darauf Wert legen, existentielle Bedürfnisse der Kinder achtungsvoll einzubeziehen, d.h. ihnen in Ihrem konkreten Arbeitsalltag Respekt, Bedeutung, Anerkennung als eigenständige Person entgegenbringen und das auch in Ihrem Arbeitsstil und den Inhalten Ihrer Tätigkeit umsetzen, tragen Sie einen großen Teil bei zur Stabilisierung und positiven Orientierung des Kindes, das durch den Täter mit massiver Selbstwertzerstörung bedroht ist.

So ist auch die Art, wie Sie mit dem Kind sprechen, von außerordentliche Bedeutung und sollte Ausdruck dieser Haltung von Achtung und Achtsamkeit sein. Nur dann ist es dem Kind möglich, Schritt für Schritt Vertrauen zu fassen und ggf. über seine Nöte zu sprechen. Das wird das Kind nicht tun, wenn Sie nur nach Fakten zu Ihrer eigenen Verdachtsabklärung fragen. Und selbst bereits einmal berichtete Dinge widerruft ein Kind nicht selten, wenn es selbst in den Befragungen mit seinen eigenen Sorgen nicht vorkommt, die auch lauten können: zerstöre ich die Familie? Werde ich von allen verstoßen werden? Werden sie nicht dem Täter glauben? Habe ich nicht selbst schuld? Wird Papa nicht sagen: du bist nicht mehr mein Sohn? Wird Mama nicht krank werden?

Steht niemand hinter dem Kind und stärkt es, zu seiner eigenen Wahrheit zu stehen, so wird es in der Regel bspw. einen Strafprozess nach einer Anzeige nicht durchstehen und eher wieder verstummen.

Die Einbeziehung von Fachkräften als Schritte zu professioneller Hilfe kann vielfältig aussehen und setzt Kooperationsprozesse in Gang – in der Regel zwischen der Schule bzw. der Einrichtung und der Jugendhilfe, oft auch darüber hinaus der Medizin, Polizei, Justiz, Opferhilfe.  Wesentlich ist immer die Beendigung des Missbrauchs und der Aufbau eines tragfähigen Helfer- und sozialen Netzes um das betroffene Kind und seine Angehörigen, in dem Sie als Lehrer, Erzieher, Fachkräfte einen wichtigen Platz innehaben und behalten.

Zu solchen Handlungskonzepten und Abläufen, die Netzwerke und Kooperationen initiieren, wird mein Kollege, Herr Ott, in seinem Beitrag nach der Pause weiter eingehen.

Viele  Institutionen, Träger und Facheinrichtungen haben inzwischen Dienstanweisungen, Leitfäden und Handbücher zum Umgang mit dem Verdacht auf sexuellen Missbrauch erstellt. Es ist eine zu begrüßende  Qualität, dass in der letzten Zeit vieles angestoßen wird, damit Standards des Kinderschutzes und der Kindeswohlabklärung auch Eingang in Schulen, Horte, Kitas und Freizeiteinrichtungen mit ihren spezifischen professionellen Aufgaben finden sollen.

Es reicht aber nicht aus, dies als Information schriftlich verfügbar zu haben – es muss  in den Kollegien durchgearbeitet, auf dem Hintergrund der Gegebenheiten der eigenen Einrichtung reflektiert und zu eigenem Handlungswissen geworden sein. Darum begrüßen wir sehr, dass Sie hier sind und sich persönlich und für Ihren Arbeitsplatz mit dem Thema auseinandersetzen.

Als Unterstützung hierzu bieten wir vom STIBB unsere Multiplikatoren-weiterbildung in unserem landesweiten Arbeitskreis Kinderschutz und offene bedarfsorientierte Beratung für alle Fachkräfte und Einrichtungen in Brandenburg an. In diesem Rahmen kommen wir oft auf Einladung von Institutionen (Schulen, Kitas, Freie Träger) in die Regionen, um mit diesen gemeinsam anhand von Fällen des Kinderschutzes Fragen und aktuelle Themen durchzuarbeiten, die besondere Fachlichkeit erfordern. Auch dies kann Sie im Einzelfall unterstützen, Ihre Aufgaben des Kinderschutzes bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch umfassender zu lösen. Insbesondere bei Fällen von kindlichen delinquent agierenden Jungencliquen, die häufig in Verbindung zu pädokriminellen Tätern stehen, konnten wir in verschiedenen Regionen in Kooperation mit besorgten Schulen und Freien Trägern, Polizei, Justiz und Jugendamt für umfassende und nachhaltige Lösungen sorgen, die auch die Täter hinter Schloss und Riegel brachte und zudem Netzwerke des Kinderschutzes konkret etablierte. 

Eine weitere Gelegenheit zu Qualifizierung, Ausbau und Vertiefung regionaler Kinderschutzkooperationen und -netzwerke unter Beteiligung von Schulen, Kitas und anderen Einrichtungen gerade zum Thema Sexueller Gewalt an Kindern bietet unsere Wanderausstellung „Un-Heimliche Macht“, die hier zu sehen ist  und die wir jeweils mit den Fachkräften vor Ort zum Anlass fachlicher Weiterbildung nehmen. Hier informieren wir auch die örtlichen Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte sowohl zu den Täterstrategien wie zu den Möglichkeiten von Hilfe und Selbsthilfe in der jeweiligen Region.  

Wenn Sie dieses bereits an 70 Orten in Brandenburg eingesetzte Präventionsinstrument auch für Ihren Kontext im Sinne des Erwerbs von Handlungswissen und des Ausbaus von Kooperationen nutzen wollen, so sind wir gern Ansprechpartner.

Denn vielleicht am wichtigsten ist und bleibt für die Fachkräfte, die in Institutionen mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten, im Wahr- und Ernstnehmen der aktuellen Gefährdungen einzelner Kinder die aktive Entwicklung eigener kinderschützender Haltungen und wachsamer, empfindsamer Wahrnehmungsfähigkeit. Hier finden sich Ausgangspunkte für die Kooperationsbereitschaft und –fähigkeit in kurzfristig und fallbezogen entstehenden institutionenübergreifenden Teams.

Dies kann durch spezifische Fortbildungen geschehen, vor allem aber durch die Entwicklung einer angemessenen Gesprächskultur in Ihrer eigenen Einrichtung und die Förderung der Selbstreflektion als ständige Aufgaben fachlicher Supervision. Hier bilden sich Qualitäten, die die Voraussetzungen zur Feststellung eines Hilfebedarfs im Einzelfall schaffen.

Was wir dazu noch wissen müssen, zeigen uns vor allem die Kinder selbst. Sie zeigen es in Symptomen und Signalen; sie zeigen ihr Alltagsverhalten, mit dem sie sich schützen und versuchen, Gefahren abzuwehren; sie zeigen es auch, wenn sie „im Auftrag“ eines schlechten Geheimnisses  ablenken, schweigen, sich verletzen, andere verstricken, ihre innere Unruhe agierend nach außen bringen. Als „schwierig“ geltende Jungen erzählen von ungewöhnlichen Orten und seltsamen Mutproben der Cliquen. Sie fragen ungewöhnliche Fragen. Sie legen Spuren und auch falsche Fährten. Sie haben Aufträge, und sie werden kontrolliert. Sie wiederholen an anderen, was mit ihnen gemacht wurde.

Nichts davon beweist Missbrauch.

Alles kommt bei missbrauchten Kindern – geschlechtsspezifisch z.T.  verschieden – nicht selten vor und fordert uns heraus, berührt uns persönlich bis zur Provokation. Halten wir das aus? Gehen wir dem nach?

Wir können uns die Signale nicht aussuchen; wir dürfen auch nicht die Opfer danach positiv oder negativ bewerten und unterschiedlich mit Hilfe versehen.

Wichtig ist, dass wir verlässlich präsent bleiben.

Denn wir selbst sind das Instrument, das Signale empfängt und reagiert. Wir müssen es wertschätzen, pflegen und verfeinern. Was nicht durch Sie und Ihre Aufmerksamkeit geht, ist vielleicht für ein Kind als Chance verloren.