Erkennen, Wahrnehmen und Handeln 

Obwohl jedes Kind gemäß seiner individuellen Situation verschieden auf Misshandlung und Missbrauchserlebnisse reagiert, gibt es eine Reihe von Hinweisen und Signalen, die als mögliche Hilferufe verstanden werden können. Sie sind als Ausdruck der umfassenden Bemühungen des Kindes zu verstehen, die bedrohlichen Angriffe auf seine Person physisch oder psychisch zu überleben. Die jeweiligen Symptome helfen ihm, einen inneren Ausgleich zu schaffen. Zugleich sind sie aber auch eine verschlüsselte Botschaft oder die dringende Bitte an die Umgebung, die Not des Kindes wahrzunehmen und es von einer möglichen Verantwortung von Schuldübernahme und Geheimnisdruck zu befreien. Symptome haben das Ziel auf das Kind aufmerksam zu machen.

Beachtet werden sollte, dass Signale und Symptome immer auch auf andere Ursachen zurückführbar sein können. Wir möchten daher vor vorschnellen Verdächtigungen und blindem Reagieren dringend warnen, ebenso aber auch vor dem Leugnen bzw. dem Ignorieren von Problemen. Im Verdachtsfall sollte immer ein*e Expert*in hinzugezogen werden, um Sekundärschädigungen und Langzeitfolgen vorzubeugen.

Strategien des Verursachers
von sexualisierter Gewalt

Kenntnisse über Täterstrategien und Opfer-Täter-Dynamiken helfen Fachkräften, einen Zugang zu Familien und Kindern zu finden.
Täter handeln außerhalb unseres Vorstellungsvermögens; erst, wenn das gezielt manipulative und täuschende Verhalten erkannt wird, haben Kinder höhere Chancen, gesehen, gehört und ernstgenommen zu werden.

  • Gedanken, Gefühle, Phantasien
  • Motivation „Sex mit Kindern“
  • Überwindung eigener Hemmungen
  • Enthemmende Faktoren:
    -traumatische Kindheit (Missbrauchserfahrung)
    -Ohnmacht und Lebensangst
    -Abwesenheit von schützenden Personen
  • Auswahl des Kindes und Herstellung von Nähe zum Kind
  • Prüfen von Zugänglichkeit und Bedürftigkeit des Kindes
  • Aufbau von Vertrauen über Fürsorge, Geschenke und Aktivitäten
  • strebt Isolierung durch Entfremden von Bezugspersonen an
  • überwindet äußere Hindernisse und organisiert Alleinsein mit dem Kind
  • manipuliert, sichert und kontrolliert das familiäre Umfeld und weitere Bezugspersonen (auch Fachkräfte)
  • sichert das kindliche Umfeld durch Manipulation, Kontrolle,  Macht, Verwirrspiele und Geheimhaltungsdruck
  • Er verrät, benutzt, missbraucht und misshandelt
  • und ist Experte für Rechtfertigungsstrategien:
    „Ich weiß von nichts. Die anderen haben die Phantasien.“
    „Ich sorge für Dich. Ich bin Deine Retter.“
    „Ich sage die Wahrheit. Die anderen lügen.“
    „Ich bin unbescholten. Das Opfer ist kriminell.“
    „Ich weiß, was Kinder brauchen; Eltern, Lehrer, das Jugendamt, Heime, Kitas sind schlecht.“
  • materielle*r und emotionale*r Versorger*inZeichnung eines Missbrauchsopfers: der Täter
  • liebende*r Vater, Mutter, Großvater
  • akzeptierte*r Bruder, Schwester, Onkel, Verwandte*r
  • fürsorglicher Partner der Mutter
  • guter Freund der Familie
  • hilfsbereiter Nachbar
  • vertraute*r Lehrer*in, Hausmeister*in
  • Erzieher*in, Sozialarbeiter*in
  • ehrgeizige*r, geachtete*r Trainer*in
  • sympathischer Arbeitskollege
  • bemühter Arzt und Therapeut
  • dufter Kumpel, Helfer, Retter
  • freundlicher Bekannter
  • ältere*r Mitschüler*in
  • unauffälliger Heimbewohner
  • Er knüpft an den aktuelle Bedürfnissen des Opfers an
  • Zeichnung eines Missbrauchsopfers: der Tätervermittelt Wertschätzung und Verständnis
  • verbündet sich mit Familie und Freunden
  • spaltet Opfer von Bezugspersonen
  • benutzt Vertrauen und Nähe
  • zeigt sich selbst hilflos und bedürftig
  • manipuliert, kontrolliert und isoliert
  • hat geringes Maß an Mitgefühl
  • bedroht, übt Gewalt und Macht aus
  • nur seine Realität hat Gültigkeit
  • gibt Schuld an das Opfer
  • entschuldigt wiederholte Taten
  • schiebt Konflikte auf Dritte
  • kriminalisiert Opfer und dessen Freunde
  • Täter zeigt nur dem Opfer seine böse Seite,
    nach außen zeigt er sich freundlich
Zeichnung: Selbstbild eines Opfers

Selbstbild eines Opfers

Opfer von sexualisierter Gewalt

gute Erfahrungen

+ Ich bekomme Aufmerksamkeit

+ Ich erhalte Geschenke

+ Ich werde gesehen und beachtet

+ Ich werde gebraucht

+ Ich werde vor anderen geschützt

+ Ich stehe im Zentrum

+ Ich möchte reden

+ Ich versuche mich zu wehren

+ Ich bin erwachsen und trage Verantwortung

+ Ich werde idealisiert

+ Ich helfe anderen

+ Ich opfere mich für Jüngere

+ Ich brauche meine Eltern

+ Ich erlebe angenehme Gefühle

+ Ich hoffe auf Veränderung

schlechte Erfahrungen

– Ich werde misshandelt, missbraucht

– Ich werde ausgebeutet

– Ich kann meine Gefühle nicht zeigen

– Ich bin nichts wert

– Ich werde bedroht

– Ich bin alleine

– Ich muss Geheimnisse bewahren

– Ich gehe hin

– Ich bin ein kleines hilfloses Wesen

– Ich werde stigmatisiert

– Ich brauche Hilfe

– Ich brauche selbst Schutz

– Ich habe keine Eltern

– Ich erlebe Ekel und Scham

– Ich kann den Missbrauch nicht beenden

Opfer entwickeln Überlebensstrategien, die als mögliche Symptome im Lebenskontext zu überprüfen sind. Sie können auf allgemeine Probleme, aber auch auf Missbrauch hindeuten. Eine spezifische Symptomatik für Missbrauch gibt es nicht!

Emotionale, körperliche und Verhaltensreaktionen:

  • plötzliche gravierende Verhaltensänderung
  • Stimmungsschwankungen
  • ambivalente Gefühle Erwachsenen gegenüber
  • diverse Ängste und Misstrauen
  • Unruhe, Unsicherheit
  • Gefühle von Hilflosigkeit und Versagen
  • Minderwertigkeitsgefühle
  • Wut und Aggressionen, Ausbeutung anderer
  • stark distanzloses und delinquentes Verhalten
  • Distanziertheit, zurückgezogenes und apathisches Verhalten
  • Verweigerung von Kontaktaufnahmen
  • Probleme, Grenzen einzuhalten
  • manipulatives Verhalten anderen gegenüber, extremes Machtstreben
  • sexuelles Ausagieren mit gleichaltrigen oder jüngeren Kindern
  • sexuell provozierendes Verhalten
  • keine adäquaten Beziehungen zu Gleichaltrigen
  • Schulschwänzen, Treben
  • auffälliges Übernehmen einer Opferrolle
  • Ablehnung von eigener Verantwortung
  • Sprach-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, unerklärlicher Leistungsabfall
  • Selbstzerstörung, autoaggressives Verhalten (Drogen-, Zigaretten-, Alkoholkonsum)

Eine Bilderfolge über den Entwicklungsprozess 

eines sexuellen Missbrauchs an einem Mädchen vom 4. bis zum 14. Lebensjahr, gezeichnet von einer erwachsenen Frau und Mutter, deren Sohn wiederum vom Freund der Familie missbraucht wurde:

  • Bunte Zeichnung mit lachender Sonne, Blumen und einem Kind mit rotem Luftballon
  • Zeichnung: Der große Bruder nimmt das Kind an der Hand und zeigt ihm die Welt, die Sonne lacht.
  • Zeichnung: Die Familie verändert sich: ein Mann zieht ein.
  • Zeichnung