Referat zur Tagung am 10.04.2006 in Beelitz

Referentin: Christine Kernich, STIBB e.V.

Christine Kernich – Fachkraft für Gewaltprävention, als Leiterin des Projekts GEGEN GEWALT AN SCHULEN für den Träger STIBB e.V. (Sozialtherapeutisches Institut Berlin-Brandenburg) im Auftrage des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport landesweit tätig. Für STIBB auch aktiv in der Beratung, in Kinderschutzaufgaben und im Opferschutz- und Opferhilfeauftrag des Justizministeriums.

ZUR KETTE DER GEWALT BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN – ZU IHREN ERSCHEINUNGSFORMEN UND URSACHEN – ZU DEN HANDLUNGSNOTWENDIGKEITEN

Die Vorgänge an der Rütli-Schule in Berlin schlagen in der Öffentlichkeit Wellen.

Es gibt auch  alarmierende Erscheinungsformen und Entwicklungen an etlichen mir bekannten Schulen in Berlin und Brandenburg, ohne dass in nennenswertem Maße – wenn überhaupt – Migrantenkinder vor Ort anwesend geschweige denn daran beteiligt wären.

Aus meiner aktuellen Präventionsarbeit kenne ich (aus Hilferufen von Kindern und Lehrern und aus eigenem Erleben) Schulen, in denen z.B. eine Gruppe von Jugendlichen während des Unterrichts in anderen Klassen die Türen eintritt und Kinder wie Lehrer terrorisiert.  Eine Schülerin einer Gesamtschule erzählt, wie in ihrer Klasse seit Monaten kaum Unterricht möglich sei, weil mehrere Schüler wechselnd die Lehrer wie auch andere Schüler „lahmlegen“, indem z.B. der Boden mit Schulbroten „gebuttert“ wird. Eine andere Schülerin (Oberschule, vormals Realschule) ist nach ständigen verbalen und körperlichen Übergriffen in der Klasse bis hin zu Schlägen mit einem Schirm während des Unterrichts  nun in einer Klinik, weil die psychischen Folgen massiv waren.

In einer Grundschuleingangsklasse fielen Jungen durch sexuell massiv übergriffiges Verhalten auf, sogar an älteren Mädchen der Schule.

In einer weiteren mir bekannten Grundschule erpressten Kinder der 5./6. Klasse die Erstklässler regelmäßig um Geld, das sie wiederum ihren älteren Brüdern abgeben sollten. Fast ein Jahr lang traute sich kein Kind, zu reden.

Es gibt viele Beispiele mehr. Bei diesen und anderen wurden wir kürzlich zu Hilfe geholt und begannen die Kinder, Lehrer und Eltern darüber zu sprechen, so dass es möglich wurde, sich aktiv und in Kooperation mit weiteren Fachkräften – Polizei, Jugendhilfe, Justiz, Klinik, Opferhilfe – um Abhilfe zu kümmern. Nicht immer passiert dies – manche Schulen kämpfen um ihr Überleben und wollen als ruhig gelten; Hilfe holen scheint dann paradoxerweise gefährdend.

Verbindend für die beobachteten Vorgänge an den Schulen, seien sie massiv oder noch scheinbar in den Kinderschuhen, ist für den notwendigen scharfen Blick, dass es hier nicht um Konflikte geht. Deswegen reichen die normalen schulischen Präventionsmethoden, vor allem die rein auf der Schülerebene angesiedelten, selten aus – erwachsene Fachkräfte der Schulen und manchmal darüber hinaus sind gefragt. Denn es geht um absichtlich schädigendes Verhalten im vollen Bewußtsein, und es geht um körperliche Verletzung bis hin zur seelischen Destruktion durch Demütigen, Angst machen, Ohnmächtigmachen, Abwerten, Ausgrenzen und Lächerlichmachen  anderer Kinder – und immer mehr auch der Lehrkräfte. Es geht manchmal auch um waschechte  Erpressung, Bedrohung und Nötigung bis hin zu sexuellen Übergriffen.

Und es geht den Machern – im Großen und Kleinen – um die eigene Aufwertung im Sinne von Machtgewinn innerhalb entstehender Substrukturen.

Kinder und Jugendliche, die damit in ihren Schulen Erfolg haben, weil angemessene Antworten nicht erfolgen, erleben die Hilflosigkeit der anderen als machtsteigernd und haben damit ein höchst effektives Modell gefunden – meist durch negatives Vorbild früh erworben, worauf ich bei den Ursachen noch komme – , von dem sie um so weniger bereit sind abzulassen, je länger das Machtspiel erfolgreich funktioniert hat.

Schon in 4. und 5. Klassen ist dies nicht selten zu beobachten, mit ansteigender Tendenz zur Sekundarstufe, wo die Beispiele zunehmen und in manchen Klassen fast zur Regel werden.

Aber wir kennen auch 1. und 2. Grundschulklassen, in denen solche Dynamiken sich bereits entwickelt haben. Das sind Ausnahmen, aber es lässt sich an ihnen gut studieren, wie die Wirkung von Machtspielen entsteht und aussieht. Auffällig ist, dass in solchen Klassen eine unoffene Atmosphäre entsteht, Kinder sich nicht mehr frei äußern, sich aber merklich auf einzelne Kinder beziehen, die eine besondere Position einzunehmen scheinen und deren Meinungsäußerung und Verhalten eine wichtigere Rolle zu spielen und mehr Einfluss zu haben scheint als selbst die der Lehrer oder der Eltern.

Diese „besonderen“ Kinder sind keineswegs immer selbst gewalttätig; oft sind sie Heimlichtuer, andere biedern sich bei ihnen an und erfüllen bereitwillig die Aufgabe des Hofierens „nach oben“ und Tretens „nach unten“. So hoffen diese, auf der Machtseite „dazuzugehören“. Andere Kinder erstarren innerlich aus Angst, selbst das Opfer zu werden, sie verstummen, schauen weg bzw. „halten sich raus“. Wer zum Opfer gemacht wird, bleibt so ohne Rückhalt – vor allem, wenn Lehrer nur bemerken, dass „ihr euch wieder streitet“.

Die so entstandene Dynamik umfasst das gesamte Feld, es besteht keine Chance auf nachhaltige Veränderung ohne Aufdeckung der Spielanleitung. Verdeckt konstant erfolgreich zu bleiben, ist vielleicht der größte Triumph der Machtspieler.

Es braucht vor allem die differenzierte Wahrnehmung solcher Vorgänge ( und ihrer evtl. auffallenden Bezüge ins Außenfeld ), um sie passend zu beantworten. Lehrer müssen Unterstützung bekommen und geschult werden, Machtspiele (Mobbing, Bullying) zu erkennen und so frühzeitig wie möglich konsequent zu stoppen; Schüler müssen sicher sein können, dass sie, wenn sie zum Opfer gemacht wurden, Hilfe erhalten; Klassen müssen in Präventionstrainings so frühzeitig wie möglich lernen, wie man absichtlich schädigendem Verhalten einzeln und gemeinsam begegnen kann. Lehrer und Eltern müssen die große Bedeutung ihrer – gemeinsamen ! – Positionierung gegenüber unfairem Handeln, aber auch ihres positiven Vorbilds begreifen. Sie müssen verstehen, dass Macht-Ohnmacht-Dynamiken alle Beteiligten erfassen und niemandem die Haltung erlauben, sich der Anstrengung um eine Lösung zu entziehen. Und alle müssen wissen, dass manchmal die Quelle der Gewalt hinter den sichtbaren Tätern sitzt – dass also ein fachlicher Blick auf die Ursachen zur nachhaltigen Behebung nötig ist.

In den Elternabenden und Schulkonferenzen wie Lehrerfortbildungen, die wir durchführen, erklären wir diese Dynamiken und regen dazu an, den Kindern bei der Auflösung so entstandener Probleme zur Seite zu stehen. Allein durch Schüler –  Streitschlichter ist das in der Regel nicht zu leisten, aber die Schaffung einer Kultur der Gewaltfreiheit an einer Schule unter Einbeziehung aller beteiligten Erwachsenen und Kinder kann helfen, erneute Auswüchse zu verhindern. Hierzu gibt es bei uns umfassende praktische Angebote und Beratung; Schulen finden z.B. im Anti-Bullying-Programm von Dan Olweus gute Methoden; wir selbst bieten verschiedene eigene derartige Programme und Trainings für den Umgang mit Machtspielen an und können Schulen und Kollegien dazu beraten, haben zudem auch schon in einem höchst effektiven Programm Eltern für gewaltpräventive Unterstützung ihrer Schulen ausgebildet und trainiert .

Wir brauchen nicht nur regelhafte Prävention im Sinne der frühestmöglichen Vorbeugung, es braucht ebenfalls Prävention zur Vermeidung weiterer Schädigungen, wenn bereits Schaden eingetreten ist.

Im diesem zweiten Fall – der heute immer dringlicher nachgefragt wird – geht es einerseits um klare Begrenzung eingetretener Gewalt und ihrer Folgen, d.h. neben der Qualifizierung des Lehrerhandelns zu diesem Zweck  oft auch um vernetztes Handeln, z.B. um Wege zur Jugendhilfe, ggf. auch zu Polizei und Justiz, Medizin und Opferhilfe. Andererseits geht es um eine fachliche Haltung zur Ursachenerkennung und –behebung.

Am Kinderschutz orientierte Prävention muss diesen Zusammenhang immer im Auge haben und im Problemfall fachlich vermitteln.

Wir bieten für Brandenburg wie auch Potsdam-Mittelmark solche  Prävention an, erfahren durch in der Praxis erworbenes Fachwissen betr. Gewalt zwischen Kindern wie Gewalt an Kindern, und können als schnelle Unterstützer und Berater im Bedarfsfall den Schulen helfen, die jeweils  notwendigen Schritte zu gehen. Dies braucht in der Regel gute, zeitnahe Kooperation, um flexibel und auf mehreren Ebenen handeln zu können. Diese Ebenen betreffen mindestens „Täter“ und „Opfer“ des destruktiven Handelns, die Gesamtgruppe der Kinder oder Jugendlichen, die Lehrer/Schule und die Eltern; nach Bedarf kontaktieren wir auch die genannten weiteren Fachkräfte und beziehen sie zum Schutz des Opfers, zur Arbeit mit dem Täter, zur Stärkung der Gesamtgruppe und des angemessenen pädagogischen Verhaltens wie weiteren fachlichen Handelns ein. Bisher konnten wir bei solch aktuellem Bedarf nachfragende Schulen aus ganz Brandenburg hier umgehend unterstützen. (Wie dies weiter gehen kann, ist z.Zt. noch offen; am Ende dazu das Neueste.)

Schließlich und vor allem aber geht es, um der Gewalt ein nachhaltiges Ende zu setzen, nicht nur um ihre Begrenzung, sondern auch um das Suchen und Verstehen ihrer Ursachen. Gewalt auch als Symptom für ein dahinter liegendes zu lösendes Problem im Feld wahrzunehmen, ist die notwendige Ergänzung zu ihrer konkreten Eindämmung im Erscheinungsfall.

In unserem Sozialtherapeutischen Institut STIBB, Fachberatungsstelle für alle Fälle von Gewalt an Kindern, Kinderschutzeinrichtung der ersten Stunde in Brandenburg und vom Land beauftragt mit Weiterbildung der Fachkräfte und Opferschutz und Opferhilfe, finden wir durch die Beratungsarbeit immer wieder Korrelationen zwischen kindlicher/jugendlicher Gewalt und eigenen Opfererfahrungen der durch Gewalt Auffallenden. Zwar denken wir nicht, dass jeder kindliche Machtspieler Gewaltopfer ist – die Faszination und Verführung machtausstrahlender Cliquen wirkt auf viele Kinder und Jugendliche, „die Macht sei mit dir!“… – , dennoch wissen wir insbesondere aus unserer Arbeit mit Jungen, dass durch Delinquenz auffallende kindliche Täter, vor allem die Mehrfachtäter, fast regelmäßig aktuell oder in der Vergangenheit häusliche Gewalt, Misshandlung oder auch Verwahrlosung und sexuelle Gewalt erlebten und dass oft genug ihr auffälliges Agieren zeigt, dass sie einen unerfüllten dringenden Bedarf an fachkompetenter Hilfe haben (die in der Regel über die Jugendhilfe kommen muss und hier oft aus verschiedensten Gründen ausblieb oder nicht ausreichte). Kinder und Jugendliche, die sich gewaltbereiten und delinquenten Cliquen anschließen, haben Gründe – nicht selten ist es das Motiv, geschützt zu sein und erneutes Opfererleben zu vermeiden. Sie möchten sich stark gegenüber einer als schädigend erfahrenen sozialen Umwelt erleben. Viele von ihnen trauen Recht und Gesetz nicht zu, sie zu schützen, weil sie deren positive Wirkung selbst nicht erlebt haben.

Ihre Reaktion ist hochgefährlich, denn sie öffnet die Tür zu Macht-Ohnmacht-Weltmodellen und maffiaähnlichen Strukturen als Orientierungsbasis für zu erwartendes Zukunftsverhalten. Die Integration dieser Kinder ist gefährdet, egal, an welcher Schule sie sich aufhalten. Sie brauchen neben der Begrenzung ihres Agierens auch fachliche Wahrnehmung und frühzeitige Hilfen als Antwort auf ihre eigene Schädigung.

Ohne einen fachlichen Blick dahin, wo diese Kinder möglicherweise selbst geschädigt werden oder wurden, erreichen wir höchstens eine Disziplinierung der kindlichen Täter – aber keine nachhaltige Beendigung der auslösenden Gewalt.

Wir schauen daher immer auch ins Umfeld der kindlichen Täter. Nicht selten finden wir erwachsene Schädiger – seien es misshandelnde Eltern oder die Kinder verstrickende und verführende Pädokriminelle und ihre Mittelsleute, besonders bei den Jungen, mit denen wir inzwischen zu mehr als 50% unserer kindlichen und jugendlichen Klienten zu tun haben. Die Methoden, die wir hier fachlich einsetzen, um die betroffenen Kinder wieder aus der Gefährdung zu lösen, sind vielfältig und brauchen in der Regel sofortiges Handeln wie auch langen Atem und gute Vernetzung, um tragfähig zu sein. Coachingformen unter Einbeziehung kreativer und sportlicher wie auch weiterer spezifischer Methoden zur Begrenzung des Opfertäter-Agierens, Maßnahmen der Jugendhilfe und des Kinderschutzes bis hin zu therapeutischen Hilfen zeigen sich als notwendig, aber auch nachhaltig effektiv. Die Einbeziehung der vernetzten Kooperationspartner Schule, Eltern, Jugendhilfe, Polizei, Justiz, Medizin, Opferhilfe kann nach jeweiligem Bedarf zur Beendigung der auslösenden Gewaltfaktoren beitragen.

Hier schließt sich nicht nur ein Kreis zwischen den Schülern der Berliner Rütlischule und denen in Brandenburg, es schließt sich auch ein Kreis zu den alarmierenden Kinderschutzfällen, die in der jüngsten Zeit mehr ans Licht kommen. Kindliche Opfer von Gewalt ohne ausreichende Chance auf Hilfe, besonders in randständigen und belasteten Teilen der Gesellschaft, verhalten sich nicht immer still oder sind am Ende tot; andere – und aus unserer Sicht viel zu viele – beginnen als Opfertäter zu agieren.

(Ein Beispiel: der 11jährige Pascal (Name geändert) terrorisiert die Kinder seiner Schule im südlichen Brandenburg. Es gibt Anzeigen gegen ihn wegen Körperverletzung: ohne Hemmung tritt er z.B. einem am Boden liegenden Kind das Nasenbein ein; es muß ins Krankenhaus. Er gilt als Schulschwänzer. Er streift mit  Cliquen durch die Ruinengrundstücke der Stadt; er hat Kontakt zu einer Bande von hochdelinquenten Kindern, bekannt durch 175 Straftaten. Drogen und Rechtsextremismus sind am Ort unter Jugendlichen verbreitet.

Kräfte der Jugendhilfe holen STIBB als Berater in die Stadt. Durch diese Kooperation, die im Laufe der Zeit verschiedenste Fachkräfte am Ort einbezog, durch unsere Gewaltprävention an den Grundschulen, Weiterbildung der Fachkräfte und Einsatz unserer Wanderausstellung gegen sexuelle Gewalt an Kindern in der Stadt und durch ein gezieltes aufsuchendes Coachingprogramm speziell für Jungen in der Freizeit bekommen wir Kontakt zu dem Jungen wie auch weiteren auffälligen Kindern. Wir knüpfen Kontakte zu den Eltern. Pascals Mutter gewinnt Vertrauen und beklagt, vom Jugendamt bisher keine Hilfe, sondern nur Vorwürfe  bekommen zu haben. Sie erzählt, dass Pascal von seinem leiblichen Vater als Kleinkind immer wieder schwerst misshandelt wurde – wie sie selbst auch. Den Vorhaltungen der Schule über ihr gewalttätiges Kind steht sie hilflos gegenüber, sie ist im Heim großgeworden und hat Gewalterfahrungen zu Hause und selbst im Heim hinter sich. Aber sie war trotz aller Defizite als Mutter mutig genug, Anzeige zu erstatten, als sie von ihrem Kind erfuhr, dass es – wie andere Kinder – von einem Mann gegen Essens- und Geldangebote zu sexuellen Handlungen verführt wurde, und blieb mit unserer Unterstützung dabei, ihrem Kind den Rücken zu stärken, so dass der Junge  zu verstehen begann, dass auf der Seite von Recht und Gesetz auch Schutz und Hilfe – und nicht nur Strafe – warten und dass er als Opfer von früher und aktueller Gewalt ein Recht darauf hat.  Auch andere Eltern und Kinder hörten und erzählten uns von diesem Mann, seinen Taten und weiteren jugendlichen mutmaßlichen Schleppern und eventuellen anderen erwachsenen Mittätern, und auch hier wurden individuell verschiedene Beratungen und Hilfsschritte gemeinsam begonnen.

Hier konnten nun vielfältige Hilfen einsetzen, denn die Brücken waren gebaut.

Pascal und seine Mutter sind inzwischen an einem sicheren Ort, wo Pascal als  normaler Schüler zur Schule geht. Seine Aussage wie die weiterer Kinder haben dazu geführt, dass der Missbraucher wegen 30 erwiesener Straftaten sexuellen Miss-brauchs an Kindern verurteilt und inhaftiert wurde. Der Junge und seine Mutter brauchen weiterhin viel Hilfe, die das Jugendamt zur Verfügung stellt, damit ihre Schädigungen als Opfer von Gewalt nicht wieder zu  Problemen führen und damit sie im besten Sinne leben lernen. Auch wenn das kostet – es vermeidet ganz andere Kosten. Bei frühzeitigeren Hilfen für Mutter und Kind wäre das vielleicht noch ganz anders möglich gewesen.

Dies ist ein Beispiel eines typischen Opfertäters, den die Schule nicht begrenzen konnte. Er war nur als Täter im Blickfeld – wie auch die anderen delinquenten Kinder der Clique. Auch die Polizei sah zunächst nur den Gewaltaspekt. Einige Kinder kamen deshalb in Heime, aber eine Abnahme der Gewalt trat bei den auffälligen Kindern am Ort nicht ein. Das geschah erst, als die Ursache – das Opfer-Sein der Kinder – mit in den Blick kam. Erfreulicherweise entstand parallel zu diesem von uns initiierten Entwicklungsprozeß und auch durch ihn ein erstes umfassendes Fachkräfte-Netzwerk am Ort, das nun weiter arbeitet. Die Schulen und Schulräte sind darin  aufgrund des Lernprozesses an erster Stelle aktiv.

Ohne präventiven Kinderschutz, der diese Zusammenhänge kennt und der deshalb im konkreten Jetzt-Fall umfassende und nachhaltige Lösungen erarbeiten hilft, ohne die daran orientierte fachlich kompetente und frühzeitige Schulprävention, ohne Einbeziehung der Erfahrungen der regionalen und überregionalen Fachpraktiker im Felde des Kinderschutzes und ihrer Netzwerkpartner, um von ihnen – d.h. auch von Ihnen – zu lernen, sind Diskussionen um Rezepte und Programme „von oben nach unten“ ein Schritt auf der Stelle. Unten vor Ort bei diesen Praktikern gibt es immer wieder aktuellstes Fachwissen und  Erkenntnisse zu Gewaltzusammenhängen – durch unsere alltägliche Begegnung mit der Gewalt zwischen, aber auch an Kindern als Aufgabe, die wir immer wieder lösen müssen.

Was dort – bei uns und bei Ihnen – fehlt, sind ausreichende Mittel zur Fortsetzung und nachhaltigen Verbreitung der Arbeit. Wir freuen uns, dass in Potsdam und Potsdam-Mittelmark eine Mitfinanzierung präventiver  kinderschützerischer Tätigkeit von Trägern wie STIBB – auch an Schulen – in den dem Landkreis (hier also PM) möglichen Maßen gewährleistet ist  und bei uns abgerufen werden kann, und dass wir auch weiterhin landesweit zur Qualifizierung der Fachkräfte in diesem Feld durch Mitfinanzierung des Bildungsministeriums beitragen können.

Für die Schulpräventionsbedarfe ganz Brandenburgs haben wir jedoch Besorgnis. Bekam STIBBs Programm GEGEN GEWALT AN SCHULEN 2005 noch insgesamt  10.000 Euro für seine oben beschriebene bedarfsorientierte Präventionsarbeit an Schulen im Land, ergänzt durch einen Eigenanteil des STIBB vor allem aus Spenden und Bußgeldern und durch zusätzliche ehrenamtliche Arbeit unserer Projekt-mitarbeiter, um den dringendsten Nachfragen nachzukommen, so soll 2006  die Förderung der Schulprävention des STIBB e.V. aus Sicht des Bildungsministeriums enden, wenn wir nicht mindestens ¾ der Kosten über kommunale Gelder, Schulen und Sponsoren auftreiben – ein unrealistisches Unterfangen.

Einen Antrag auf Förderung von zwei halben Stellen durch das MBJS hat STIBB aber dennoch gestellt. Die Antwort steht noch aus.  Ihre Unterstützung kann uns vielleicht noch dabei helfen.

Auf alle Fälle freuen wir uns, hier in Potsdam-Mittelmark unseren seit 1993 von Anbeginn an verfolgten Weg der nachhaltigen Gewaltprävention weiter vertiefen und mit allen Fachkräften des Landkreises gemeinsam fortsetzen zu können. Weiterhin auf gute Kooperation mit Ihnen!

Christine Kernich, STIBB e.V.